Algen und Vergebung #41

Heute reden wir mal ein bisschen über das Patriarchat. Denn eine Frage treibt mich um: Warum rebellieren so wenig Männer dagegen? Die typische Antwort im feministischen Diskurs wäre: Na, weil sie doch davon profitieren, Boris! Ich glaube, zu verstehen, was damit gemeint ist, aber so zu leben, wie Männer leben sollen im Patriarchat, das ist kein gutes Leben.


Warum denn jetzt schon wieder Männer, Boris?


Der Feminismus ist in der Lage, die Situation von FLINTA- Personen in der patriarchalen Gesellschaft akkurat zu beschreiben. Hier soll es aber um die Rolle von cis Männern gehen, da fehlt noch einiges an Analyse.

Ich habe über meine Schulzeit nachgedacht und festgestellt: Es gibt unterschiedliche Erzählungen über den geschlechtsspezifischen Platz in der Gesellschaft, mit denen pickelige, von süßlichem Deodorant zugesprühte, Jugendliche in diesem Land erzogen werden.

Die Geschichten, die männlichen Jugendlichen erzählt werden, klingen geradezu verführerisch. Ihr seid die Geilsten! Ihr werdet nicht nur euch selbst, sondern eine ganze Familie ernähren! Ihr habt was zu melden und dürft gestalten. Ihr kommt nach eurer Arbeit nach Hause, und da sitzt schon eure Frau, die euch einen Bananenkuchen1 gebacken hat und den liebt ihr doch so. Was hat denn das Patriarchat den erwachsenen Männern zu bieten?
Mit 21 ne Kugel in den Kopf an der Front, in friedlicheren Ländern mit 43 als Dachdecker vom Dach fallen und die Nachbarn sagen danach: ‚dem Matthias haben sie das Kreuzband rausgenommen nach dem Sturz, der kann nicht mehr richtig laufen‘, mit 58 totgesoffen.

Klar, im Diskurs gehts immer um die DAX- Vorstände, davon gibts vielleicht 100 in Deutschland, wesentlich öfter gibt es Matthiasse, die mit 43 vom Dach fallen und danach nicht nur die Familie nicht mehr ernähren können, sondern nicht mal sich selbst.

Viel wird vollkommen zurecht über die Rolle von Frauenkörpern im Patriarchat gesprochen, die Rolle des Männerkörpers ist die totale, physische Zerstörung. Es sieht stark danach aus, dass das auch der Grund ist, warum Männer eine geringere Lebenserwartung haben, genetisch gibts da nämlich nichts. Und je patriarchaler die Gesellschaft, desto größer der Unterschied. In Deutschland sind es etwa 5 Jahre Lebenserwartung weniger für Männer, im Totalpatriarchat Russlands fast 15.

Nicht nur sind Männer im Patriarchat nicht die Geilsten, sondern früher tot. Und selbst wenn das nicht so wäre, und die Fantasieversprechen eintreten würden, also das Idealbild des patriarchalen Mannes erfüllt würde, ist das kein gutes Leben.

Nehmen wir mal das Beispiel eines Mannes, der so sehr vom System profitiert hat, wie kaum jemand zuvor: Donald Trump

Nicht einmal musste er in seinem Leben seine Schnauze halten, nicht einmal musste er Konsequenzen für seine Handlungen spüren, er konnte nehmen und nehmen, er war immer der Mächtigste am Tisch, kurz: Nach den dummen Definitionen von Freiheit ist er der freieste Mensch der Welt. Und, wie läufts so bei ihm?

Ich persönlich finde ja Donald Trump etwas langweilig, viel spannender hingegen Melania, und manchmal hilft es ja, die Ehepartner*innen zu fragen, wenn man was über die eigentliche Person herausfinden will.

Bevor Donald Trump Politiker geworden ist, war er natürlich ein Celebrity und qua Heirat auch Melania Trump. Circa 2010 hielt sie eine Rede über Unternehmensstrategien und am Ende der Veranstaltung gab es ein Q&A mit dem Publikum und da wurde sie doch tatsächlich die wahnsinnige Frage gefragt: ‚Haben Sie Donald Trump nur wegen des Geldes geheiratet?‘

Ui. Diese Frage könnte man auf mehrere Arten und Weisen beantworten. Melania hätte schlichtweg sagen können: ‚Was für eine infame Frage. Das beantworte ich nicht.‘ Sie hätte was von der großen Liebe erzählen können. Sie hätte sagen können: ‚Ich bin in den 90ern in die USA gekommen und arbeite seitdem als erfolgreiches Model in New York City. Die einzigen Männer, die ich kennenlerne, sind die Reichen aus New Yorks High Society. Wen soll ich denn sonst heiraten?‘ Nichts davon hat Melania Trump gesagt. Auf die Frage, ob sie Donald Trump nur wegen des Geldes geheiratet hat, antwortete sie: ‚Na, glauben Sie, er hätte mich geheiratet, wenn ich nicht so schön wäre?‘ Ich habe die Aufzeichnung gehört, das war keine schlagfertige Reaktion, die einen Lacher produzieren sollte. Sie meinte das genau so.

Wow. Selbst für meine Standarts: Was für ein Selbsthass.

Im Grunde genommen sagt sie: ‚Das Einzige, was an mir liebenswert ist, ist meine Silhouette. Und an ihm ist gar nichts liebenswert. Aber sein Geld kann ich dann für liebenswerte Sachen ausgeben, wie Innendekoration. Oder meinen Sohn vielleicht.‘

Das denkt eine der Donald Trump nächststehenden Personen über ihn. Und ich meine, er denkt auch nicht groß anders über sich selbst. Habt ihr ihn mal beobachtet? Der Mann ist immer wütend. Immer. Ich weiß gar nicht, wie man das psychisch geschweige physisch aushalten kann, dass sein Herz noch funktioniert, ist ein kardiologisches Wunder.

Ich glaube, das alles hängt schon damit zusammen, dass er niemals jemandem auf Augenhöhe begegnen musste. Wie soll man dann tiefe, persönliche Beziehungen aufbauen? Wie soll man etwas übers Leben lernen? Um Donald Trump herum und in ihm selbst nur eine vernichtende, nihilistische Leere, jeden Tag ne richtige Scheißlaune und nicht ein Fünkchen Hoffnung, dass es sich jemals ändern wird. Wer will denn so leben?

Wie sieht es denn am anderen Ende der Gesellschaft aus?

Es wird ja, wie ich bereits gesagt habe, so gut wie niemand Donald Trump.

Der Druck, den das Patriarchat auf Männer ausübt, ist, dass sie was erreichen müssen. Dass sie sich nicht auf jemand Anderes verlassen sollen. Dass sie Dinge selbst in die Hand nehmen müssen. Natürlich ist ein direkter Effekt davon, dass, wenn das mal nicht klappt, man komplett durch alle sozialen Netze durchrasselt. Viel wurde über das Prekariat gesprochen, das Bild der alleinstehenden Mutter mit 3 Jobs ein Aushängeschild davon. Es gibt aber noch eine Schicht da drunter in Deutschland. Das gesellschaftliche Elend. Obdachlose, im Gefängnis inhaftierte, Menschen, die Suizid begehen, an einer Überdosis sterben, sind im Patriarchat immer um ein Vielfaches häufiger Männer.

Und selbst die Männer, die nicht komplett durchrasseln durchs soziale System: Was habt ihr zu verlieren?

Der Sexismus in der Arbeitswelt hat dafür gesorgt, dass Männer viel häufiger in Positionen arbeiten, für die sie absolut nicht qualifiziert sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob man im Büro überfordert ist oder unlustig auf der Stand-Up-Bühne, würdet ihr wirklich was verlieren, wenn ihr diese Räume öffnet und vielleicht stattdessen in einem Job arbeitet, der euch passt? Sich intensiv mit der Arbeit zu identifizieren, ist sowieso nicht so gesund.

Gibt es wirklich etwas zu verlieren, wenn man Frauen nicht mehr nur als Sexobjekt betrachtet, sondern sich auch ganz andere Arten von Beziehungen mit ihnen ergeben können? Ihr heult doch immer rum, dass ihr so einsam seid, und dann schneidet ihr euch die Hälfte der Weltbevölkerung weg. Fangt zum Beispiel mal mit eurer Mutter an, und von dort aus kann man vielleicht auch mal mit anderen Frauen reden.

In der Zeit, in der ihr euch über die Freiheit der Frau aufregt, anstatt euch zu fragen, warum die Versprechen des Patriarchats zu einem schlechten Leben führen, haben FLINTA- Personen schon 35 neue Memes über linke Männer gemacht, Freundschaften geschlossen und 3 Bücher von Judith Butler gelesen, bei denen man sich nie sicher sein kann, ob man sie wirklich verstanden hat. Liebe Männer, verschwendet euer Leben doch nicht auf so ärgerliche Art und Weise.

Im feministischen Diskurs hingegen entsteht schon manchmal der Eindruck, die Gesellschaft sei ein Nullsummenspiel und man muss cis Männern was wegnehmen und FLINTA sollen das bekommen. Die Erzählungen des Patriarchats helfen aber niemandem und es ist auch kein ‚Kompromiss‘ oder ein ‚Entgegenkommen‘ gegenüber cis Männern, sondern aus meiner Sicht die reale Beschreibung, was gerade los ist.

Ich will einfach nur nicht, dass ein Menschenbild entsteht, in dem eigentlich alle Menschen nach Macht streben und versuchen, Augenhöhe zu vermeiden, und wir das nur neu verteilen müssen. Denn wer alles bekommt, was er will, verdonaldtrumpt schließlich und so möchte ja nun niemand leben, oder?

  1. ich musste diesen Wahnsinn sehen, ihr müsst ihn auch sehen. Der Mann, der sich am Ende des Videos lustlos das Stück Kuchen reinschiebt, ist übrigens selbst auch im Netz aktiv, seine Frau kommt in seinen Videos natürlich nicht vor. ↩︎

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